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Anhörung Windkraft 9 März 2022 Landtag NRW

LIVESTREAM DER 95. Sitzung

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Dr.-Ing. Detlef Ahlborn, 37247 Großalmerode, 01. März 2022
Stellvertretend für den Verein „Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit e.V.“ mit Sitz in Köln

Gutachterliche Stellungnahme zum Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen des Landtags Nordrhein-Westfalen gemäß Drucksache 17/15864 „Zeit für Taten beim Klimaschutz: Landespolitische Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie konsequent abbauen“ 

In dem vorstehenden Antrag wird auf die ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung verwiesen, 80 % der Stromversorgung bis zum Jahr 2030 insbesondere durch Wind- und Solaranlagen zu realisieren. Hier steht heute schon fest, dass diese Anlagen theoretisch in der Lage wären, mehr Leistung ins Netz einzuspeisen, als das Netz mangels Verbraucher aufnehmen kann. Eine solche Überproduktion ist physikalisch unmöglich und widerspricht dem Kirchhoff’schen Knotensatz, nachdem Stromproduktion und Stromverbrauch genau übereinstimmen müssen.  

Da diese Überproduktion (siehe Abb. 1) physikalisch unmöglich ist, müssen die Anlagen in diesen Situationen abgeregelt werden. Alle Leistungsbeträge oberhalb der Netzleistung leisten daher keinen Beitrag zur Reduktion der CO2- Emissionen. Der Effekt wird umso größer, je mehr Anlagen zusätzlich aufgestellt werden.  

Im Antrag wird gefordert, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen auszuweisen.  

Nach einer Faustregel der „Danish Wind Industry Association“ soll der Abstand der einzelnen Windturbinen zueinander in der Hauptwindrichtung zwischen 5 und 9 Rotordurchmesser und zwischen 3 und 5 Durchmesser in der Richtung senkrecht zur Hauptwindrichtung betragen. Danach ergibt sich ein Flächenverbrauch pro Anlage zwischen 0,4 und 1,1 km². Im Binnenland beträgt dann die Jahresausbeute an elektrischer Energie zwischen 10 und 25 GWh pro Quadratkilometer verbrauchter Fläche. Auf 2% der Fläche von Deutschland lassen sich danach also jährlich zwischen 72 und 180 TWh elektrische Energie gewinnen.  

Der deutsche Primärenergiebedarf liegt bei 11899 Petajoule (entsprechend 3300 TWh) und damit um den Faktor 18 über dem Energiebetrag, der auf 2% der Landesfläche zu gewinnen wäre. Der mit dem zwei Prozent Flächenziel gewinnbare Energiebetrag liegt daher in der Gesamtbilanz knapp über der energetischen Irrelevanz! 

Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Abhängigkeit von russischen Energieimporten soll auf folgende Zahlen verwiesen werden: Der Anteil Russlands an den Erdgas- bzw. Mineralölimporten liegt bei 55 bzw. 34%. Das entspricht einem Energiebetrag 475 TWh für Gas und 380 TWh für Mineralöl. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es weder technisch noch flächenmäßig möglich ist, diese Beträge durch erneuerbare Energien auch nur zu ersetzen.  

Nach der Analyse des BDEW in Abb. 3 beträgt der Endenergieverbrauch in Deutschland 2317 TWh. Dieser Energiebetrag liegt um Faktor 10 bis 12 über der Energie, die auf 2% der Landesfläche zu gewinnen ist. Auf der Grundlage dieser Zahlen kann der tatsächliche Flächenbedarf für Deutschland sehr genau abgeschätzt werden.  

Nimmt man einen energetischen Flächenertrag von 35 GWh pro Jahr und Quadratkilometer verbrauchter Fläche an, ergeben sich Flächenbedarfe gemäß Abb. 4. Der Flächenbedarf zur bilanziellen Gewinnung des Endenergiebedarfs von 2317 TWh liegt daher bei rund 45.000 Quadratkilometern und damit deutlich über der Fläche von Nordrhein-Westfalen. Innerhalb der ganzen Fläche würde der mittlere Abstand von Windrad zu Windrad rund 500m betragen. Zusätzlich müssten 4000 km2 Solarflächen, also ungefähr das Anderthalbfache der Fläche vom Saarland, geschaffen werden. 

Mit dem weiteren Zubau an Windstromkapazitäten werden, die in Abb. 1 offensichtlich sichtbaren zeitlichen Schwankungen der Stromproduktion weiter ansteigen. Diese Schwankungen müssen von dem noch zur Verfügung stehenden konventionellen Kraftwerken kompensiert werden, will man den Zusammenbruch des Stromnetzes sicher verhindern.  

Diese Leistungsschwankungen liegen schon heute fest: Auf der Grundlage der Produktionsdaten aus 2020 und 2021 sind hier stündliche Schwankungen bis 40.000 MW zu erwarten. Diese Schwankungen sind mit dem zur Verfügung stehenden konventionellen Kraftwerkspark nicht mehr beherrschbar. Bis zur Ukraine-Krise waren hier noch Gaskraftwerke in der Diskussion. Vor dem Hintergrund der Bestrebungen, von russischen Erdgasimporten unabhängig zu werden, erscheint diese Option heute nicht mehr realistisch.  

Fehlerhafte Prognosen der zu erwartenden W&S-Produktion führen schon heute zu extrem kritischen Situationen im Stromnetz: So sind wir im Juni 2019 knapp an einem Blackout vorbei geschrammt: In einer Vorlage von Prof. Harald Schwarz vom Fachgebiet Energieverteilung und Hochspannungstechnik der Universität Cottbus für den Bundestagsausschuss Wirtschaft und Energie heißt es dazu: „Im Juni 2019 traten mehrere Tage mit massiven Prognoseabweichungen im Bereich Windenergie und Photovoltaik auf. Die Abweichung zwischen der angenommenen Einspeisung aus erneuerbaren Energien und der tatsächlichen lagen bei +/- 5.000 MW, in Spitzen sogar bei 13.000 MW. Diese Mangelerzeugung bzw. Überspeisung in Deutschland führte dazu, dass die gesamte europäische Regelleistung aufgeboten werden musste, um massive und für die Stromversorgung äußerst kritischen Frequenzeinbrüche oder Überfrequenzen noch in tolerierbaren Grenzen zu halten.“ Unser Stromversorgungssystem wird durch die zufällige, volatile Wind- und Solarstromproduktion ganz offensichtlich schon heute an seine physikalischen Grenzen getrieben. 

Mit jedem Zubau an Kapazitäten wird die Stabilität vom Stromnetz zusätzlich gefährdet.  

Zu Abstandsregelungen:  

Die Festlegung einer fixen Distanz ist angesichts des permanenten Größenwachstums der Windkraftanlagen (WKA) nicht angemessen. Moderne Anlagen erreichen Höhen bis zur oberen Flügelspitze von 240 Metern. Ein nur vierfacher Abstand ist völlig unzureichend hinsichtlich der optischen Dominanz und Beeinträchtigung. Eine Abstandsregel muss entsprechend des Größenwachstums proportional ausgestaltet sein, etwa in Form einer xH-Regel. 

Wohngebäude in Gewerbegebieten oder Streusiedlungen sind genauso zu behandeln wie bebaute Gebiete in Städten oder Gemeinden. Es gibt keine Einwohner mit geringerer Schutzwürdigkeit. Beispielsweise liegen Flüchtlingsunterkünfte oft im Außenbereich von Siedlungen. 

Ferienwohnungen, Wochenendhäuser sowie auch Campingplätze sind ebenso in das Gesetz einzubeziehen, da sie sonst ihren Nutzungsvorteil, den des erholsamen Aufenthalts, verlieren. Der Wertverlust von Immobilien und der Effekt kalter Enteignung müssen vermieden und im Genehmigungsverfahren beachtet werden. Den Investoren steht unbenommen die Möglichkeit offen, die Grundstücke oder Immobilien im Einvernehmen abzukaufen. Das politische Ziel des Windkraftausbaus muss sich dem unmittelbaren Schutz von Menschen hinsichtlich ihrer Gesundheit und ihrer wirtschaftlichen Lebensumstände unterordnen.  

Fazit 

Die Dekarbonisierung der Energieversorgung stellt sich technisch und physikalisch aufgrund des Flächen- und Energiebedarfs als nicht realisierbare Illusion heraus. Eine Dekarbonisierung gefährdet zudem aufgrund der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten die industrielle Basis des Landes. 

Der Verein „Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit e.V.“ empfiehlt der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine Task-Force mit unabhängigen Wissenschaftlern, die die Energiebedarfe und die Auswirkungen eines weiteren Ausbaus der Kapazitäten nach den Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft, analysieren und beurteilen.  

Dr.-Ing. Detlef Ahlborn 


Weitere Dokumente:

Anhörung Windkraft 9 März 2022 Landtag NRW
Protokoll 9 März 2022 Landtag NRW

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